[Freibeuter-Folk / Folkrock] Vroudenspil - Schattenuhr (2024) - Druckversion +- Durchgehört (https://durchgehoert.de/forum) +-- Forum: Rezensionen (https://durchgehoert.de/forum/forumdisplay.php?fid=3) +--- Forum: Musik (https://durchgehoert.de/forum/forumdisplay.php?fid=4) +--- Thema: [Freibeuter-Folk / Folkrock] Vroudenspil - Schattenuhr (2024) (/showthread.php?tid=835) |
[Freibeuter-Folk / Folkrock] Vroudenspil - Schattenuhr (2024) - Tommy2Rock - 07.11.2024 Release: 08. November 2024 Label: Hicktown Records Tracklist: 01. Ewiger Traum 02. Pestpockenpolka 03. Bis Zum Hals 04. Eintausend Seelen 05. Schattentänzer 06. Ohne Halt 07. Übermorgenland 08. Folge Dem Passat 09. Hinter Dem Meer 10. Verdammte Ewigkeit Mit ihrem sechsten Album »Schattenuhr« entführt das Oktett Vroudenspil das Publikum in eine Welt voller Gegensätze. Traum und Albtraum vermengen sich zu einer gemeinsamen musikalischen Fantasiereise. Getreu ihrer Hausmarke Freibeuter-Folk – einer wilden Mischung aus Ska, Balkan, Folk- und Mittelalter-Rock – versprüht auch das neue Album mit jedem Song einen wilden Tanz zwischen scheinbaren Widersprüchen. Leben und Tod drehen sich in einem einzigartigen ekstatischen Rausch. Trotz teilweise finsterer und morbider Themen zieht die erlebbare und ansteckende Lebensfreude alle in ihren Bann. Ein der „Meute toter Narren" wohlbekannter Drahtseilakt. »Schattenuhr« zeigt einmal mehr, wie auf Basis einer unfassbaren harmonischen und inhaltlichen Bandbreite ein musikalisches Kleinod voller tanzbarer Rhythmen zu einem unverwechselbaren Kunstwerk vermengt werden kann. Die musikalischen Ausflüge reichen von orientalischen Folkelementen über Boogie und Polka bis zu einer Prise Powermetal, gehüllt in das Freibeuter-Folk-Gewand. (Quelle: Vroudenspil) Homepage Shop Spotify Youtube Vroudenspil sind: Seewolf: Akkordeon & Gesang Ratz: Gesang Don Santo: Gesang Phyra: Querflöte & Blockflöte Absolem: Gitarre & Gesang Pico: Schlagzeug Petz: Saxophon, Rauschpfeife, Sackpfeife & Gesang Dax: Rauschpfeife & Sackpfeife Fünf Jahre sind seit der Veröffentlichung des letzten Albums „Panoptikum“ vergangen. Nun laden Vroudenspil ihre Fans zum sechsten Mal zu einer Reise in ihre eigene Welt ein. Wieder mit an Bord ist Ratz als Sänger, der auf dem letzten Album nicht zu hören war und Der Kraken wurde durch Pico am Schlagzeug abgelöst. An ihrem Stil hat sich dadurch nicht viel verändert, wodurch langjährige Hörer vom Sound sofort abgeholt werden. „Ewiger Traum“ startet relativ ruhig, nimmt aber ordentlich Fahrt auf, sobald der Gesang einsetzt. Ein Dschinn fordert auf, ihm Wünsche zu offenbaren und mit ihm Abenteuer zu erleben. Ob er es gut meint, bleibt dabei offen, denn wie er Wünsche erfüllt, ist allein seine Entscheidung. Die Melodie hat orientalische Einflüsse, was sehr gut zu einem Dschinn und seiner Herkunft passt. Mit der „Pestpockenpolka“ geht es weiter, die schon vorab als Single veröffentlicht worden ist. Vroudenspil liefern eine flotte Nummer zum Tanzen ab, die im Text einige sozialkritische Töne hören lässt. Es geht nicht wirklich um die körperlichen Zeichen einer Pesterkrankung; vielmehr sind damit Menschen gemeint, die sich an einen klammern und ausbeuten wollen und die man nur sehr schwer wieder los wird – wenn überhaupt. Trommelstöcke und Bass eröffnen „Bis Zum Hals“, bevor die flotte Melodie einsetzt. Trotz des Ablaufens der Lebenszeit wird gefeiert und getanzt - selbst wenn das Wasser bis zum Hals steht, eigentlich Panik angesagt ist und auch Gott nicht mehr helfen kann. Das instrumentale Zwischenstück fällt hier durch das Hervorheben einzelner Instrumente sehr positiv auf und man steigt von allein in den besungenen Tanz ein. Auch „Eintausend Seelen“ war eine Singleauskopplung des Albums. Erzählt wird eine Geschichte, die laut Erzähler nicht in „1001 Nacht“ zu finden ist. Es geht um einen Narren, der von Eintausend Seelen (und vielleicht einer mehr) gequält wird und mit dem Narrenschiff im Sturm durch die Wüste treibt. Erneut ertönen orientalische Klänge, die der Aufforderung, die Augen zu schließen und dem Narrenschiff auf seiner Reise zu folgen, noch mehr Atmosphäre verleihen. Die Aufforderung, aus seinem eigenen Schatten herauszutreten bekommt der „Schattentänzer“ im gleichnamigen Lied. Während das Leben im Schatten nur Zwänge, Angst und Selbsthass hervorbringt, verspricht das Leben im Licht Freiheit. Ob er diesen Weg geht oder im Schatten bleibt, wird jedoch nicht aufgelöst. Die düstere Melodie erzeugt ein beklemmendes Gefühl, ist aber erneut sehr tanzbar. Ein wenig Tempo gibt es zum ersten Mal mit „Ohne Halt“. Der Chorus geht unheimlich ins Ohr und lädt zum Mitsingen ein, was durch die eingängige Melodie noch verstärkt wird. Da die Zeit niemals stehen bleibt, fordert der Text auf, im Hier und Jetzt zu leben; den Moment zu genießen und zu schätzen, denn „Ohne Halt“ macht die Zeit alles zur Vergangenheit. Das „Übermorgenland“ erreicht der Protagonist durch das Genießen einiger Rauschmittel. Wasserpfeifen und Absinth – beschrieben als die Macht grüner Feen – werden als Beispiel genannt. Auch hier gibt es wieder ein sehr schönes instrumentales Zwischenstück. Ähnlich wie bei „Eintausend Seelen“, gibt es hier wieder Zahlen, bei denen es heißt „oder eine/r mehr“, was die Texte etwas repetitiv wirken lässt. Bei „Folge dem Passat“ könnte man sich zuerst die Frage stellen, wie die Verfolgung eines Volkswagen-Modell ins Album passt. Gemeint ist aber das gleichnamige Windsystem, wie es weltweit in den Tropen und Subtropen vorkommt. Hier kommt richtiges Freibeutergefühl auf, denn es geht um die Gefühle, die man im Laufe der Jahre auf einem Schiff erlebt. „Folge dem Passat“ bedeutet aber auch seinem eigenen Weg treu zu bleiben und nicht zurück zu blicken. In die Jahre gekommene Freibeuter sind auch das Thema in „Hinter Dem Meer“. Man wird sich des eigenen Alters bewusst, zieht die Lehre aus allen Erfahrungen und macht doch ohne Reue weiter. Der Text hätte sich auch wunderbar für eine Ballade geeignet und hätte dem Album in dieser Form sehr gut getan. In diesem Punkt fehlt es dem Album nämlich an Abwechslung, da das Tempo nie so richtig heraus genommen wird. Dass Vroudenspil in der Lage sind, gefühlvolle Balladen zu schreiben, haben sie in der Vergangenheit schon bewiesen. Auch bei „Verdammte Ewigkeit“ hat man sich nicht so richtig getraut, das Tempo zu drosseln. Dafür wird man an frühere Zeiten der Band erinnert, denn „Verdammte Ewigkeit“ hätte auch gut auf „Tote Narren“ gepasst. Zum Mitsingen eignet sich das Lied perfekt und als Abschluss des Albums ist es auch sehr gut gewählt. Den satten Sound des Albums verdanken Vroudenspil keinem geringerem als Simon Michael (Subway to Sally) , der die Lieder im Great Hall Studio sowohl aufgenommen, nachbearbeitet als auch gemischt hat. Das Mastering wurde dann von Christoph Beyerlein im Separate Sound Studio in München übernommen. Artwork und Design des Albums stammen von Simon Engel und Alessa Flemming. Die Sanduhr auf dem Cover sieht nur nur gut aus, sie deutet auch schon die Themen des Albums an. Während es in der oberen Hälfte um Seefahrt und das Freibeuterleben geht, sind in der unteren Hälfte nur noch die Wracks einst stolzer Schiffe zu sehen, die im Sand der Zeit gestrandet sind. Im Booklet finden sich nicht nur sehr schöne Bilder der einzelnen Bandmitglieder, sondern auch alle Texte und die Angabe, wer die Texte geschrieben hat und wer die Lieder komponiert hat. Im Hintergrund ist dabei immer ein Strudel zu sehen, der den Betrachter in die Tiefe ziehen will und auch auf dem Cover präsent ist. Dabei geht es wohl nicht nur im die Gefahr im Meer zu versinken, sondern auch im Strudel der Zeit verloren zu gehen. Mein Fazit: „Schattenuhr“ ist ein Album mit sehr viel Potential, das leider nicht komplett ausgespielt wird. Die Melodien bleiben im Ohr und die Texte sind wirklich sehr gut geschrieben. Leider klingen die Strophen in verschiedenen Liedern vom Rhythmus und Tempo her sehr ähnlich. Wenn man beim Anhören dann nicht auf die Texte achtet, verliert man schnell die Übersicht, welches Lied man eigentlich gerade hört. Im Chorus und den instrumentalen Zwischenstücken zeigen Vroudenspil dafür sehr viel Kreativität und schaffen es, die Hörer:innen nicht zu verlieren. „Verdammte Ewigkeit“ durchbricht die sich wiederholenden Elemente und bleibt dadurch länger im Ohr hängen. Wer ein Album sucht, bei dem man feiern und tanzen kann, wird mit „Schattenuhr“ sehr viel Spaß haben, denn dafür eignet es sich hervorragend und die knapp 35 Minuten Laufzeit vergehen wie im Fluge. Für die düsteren Stunden der kalten Jahreszeit erzeugt es außerdem eine sehr passende Atmosphäre. Insgesamt liegt also ein wirklich solides Folk / Folkrock Album vor, durch das nicht nur Piratenfans angesprochen werden. Meine Anspieltipps sind „Pestpockenpolka“, „Übermorgenland“, „Folge dem Passat“ und „Verdammte Ewigkeit“. |