[Alternative / Punkrock] Engst - Irgendwas ist immer (2023)
#1
[Bild: engst2023.jpg]


Release: 20. Oktober 2023
Label: Arising Empire


Tracklist:
01. Digitale Liebe
02. Geschichte schreiben
03. Drei Uhr nachts
04. Wir werden alle sterben
05. Nie wieder Alkohol...vielleicht
06. Umtausch ausgeschlossen
07. Idiot
08. Kopf hoch
09. Fette Jahre
10. Nachbar
11. Blut auf dem Asphalt
12. Erwachsen werden
13. Die letzte Runde


Was zu Beginn von „Irgendwas Ist Immer“, dem dritten Albums der Berliner Band Engst, im Grundton sehr melancholisch klingt, drückt musikalisch trotzdem nach vorne. Breitkreuzige Drums, Euphorie trunkene Bläser, ein Gitarrensound wie ein herzlicher Schwitzkasten – und natürlich die Stimme von Matthias Engst. Punk- und Hardcore-geschult, vom Leben angeraspelt – dabei aber oft erstaunlich massenkompatibel. So klingen Engst 2023 auf ihrem neuen Album ‚Irgendwas Ist Immer". Das vierte Album dieser Band bei Arising Empire zeigt Engst als gereifte und selbstbewusste Band. (Quelle: Pressetext)


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Engst sind:
Matthias Engst: Gesang
Ramin Tehrani: Gitarre & Begleitgesang
Yuri Cemovolov: Schlagzeug
Chris Wendel: Bass, Begleitgesang


"Irgendwas ist immer" - optimaler könnte man die letzten Jahre nicht zusammenfassen. Aus Sicht einer Band, die für Liveauftritte lebt und den Kontakt mit den Fans liebt, gab es seit Beginn der Coronapandemie mehr als einen kritischen Moment, in dem das Überleben in dieser Zeit in Frage gestellt worden ist. Engst bilden da keine Ausnahme, denn sie selbst haben geschrieben, dass ihr drittes Studioalbum fast nicht erschienen wäre. Wer jetzt aber denkt, dass "Irgendwas ist immer" sehr melancholisch klingt, liegt mit dieser Erwartung fernab der Realität. Die neuen Lieder laden zum Feiern ein, gleichzeitig gibt es wieder Gesellschaftskritik und Themen aus dem Alltag, die man im direkten Umfeld erleben kann. So geht es schon im Opener "Digitale Liebe" um Seiten wie OnlyFans und dass die User dieser Seiten durch den Content eine Besessenheit entwickeln können, die mit Liebe verwechselt werden kann. Dass Engst weiter "Geschichte schreiben" wollen, ist nicht nur der Titel des nächsten Liedes, denn sie haben mit "Irgendwas ist immer" gezeigt, dass sie Herausforderungen und Schwierigkeiten zum Trotz weiter ihren Weg gehen. In "Drei Uhr nachts" geht es um Trennungsschmerz und wie schwer es sein kann, eine Trennung zu verarbeiten und zu akzeptieren. Eine Tatsache, der man nicht entkommen kann, ist das Thema in "Wir werden alle sterben". Egal wer man ist oder was man im Leben erreicht, dem unvermeidlichen Ende durch den Tod kann niemand entfliehen. Der Titel "Nie wieder Alkohol...vielleicht" erklärt sich eigentlich von allein und wer schon einmal einen Kater hatte, wird diesen Gedanken kennen. Vom "Umtausch ausgeschlossen" ist das eigene Leben, egal wie es verläuft und welchen Schwierigkeiten man sich stellen muss. Mit "Idiot" bekommt man als Hörer:in zum ersten Mal ein wenig Zeit zum durchatmen, da Engst mit dieser Ballade etwas Tempo aus dem Album herausnehmen. Mit der Erkenntnis, die eigene Beziehung immer wieder zu sabotieren, wird gleichzeitig eine Liebeserklärung ausgesprochen. "Kopf hoch" ist eine Hymne für alle, die im Leben mit Depressionen und Selbstzweifel zu kämpfen haben und dass man damit nicht allein ist und Hilfe annehmen darf. Dass man im Moment leben soll und nicht in einer möglichen Zukunft, die man sich durch zu viel Arbeit und zu wenig Zeit für sich selbst ermöglichen möchte, erzählen Engst in "Fette Jahre". Bei "Nachbar" könnte man meinen, dass Engst heimlich Kameras aufgestellt haben. Jeder hat diesen einen Nachbar, der sich ständig beschwert und sich zum Sheriff der Straße berufen fühlt und ständig am Verhalten seiner Mitmenschen herummeckert. "Blut auf dem Asphalt" handelt vom Mord an einen Obdachlosen, der erst durch die Täter gehetzt, zu Tode geprügelt wird und zum Schluss angezündet wird. Taten wie diese sind bittere Realität und wiederholen sich in den letzten Jahren immer wieder. Dass die eigenen Erfahrungen und das Umfeld, in dem man aufwächst, den eigenen Charakter bilden, davon handelt 'Erwachsen werden". Zum Abschluss gibt es noch "Die letzte Runde", in der nicht nur ein Glas auf Freunde erhoben wird, sondern auch der Mittelfinger in Richtung aller Hater, bevor Engst zu neuen Abenteuern aufbrechen. 

"Irgendwas ist immer" ist die konsequente Fortsetzung des Weges, den Engst von Anfang an eingeschlagen haben. Mit ihrem ganz eigenen Sound und der markanten Stimme von Matthias hat die Band einen extrem hohen Wiedererkennungswert und Fans werden sofort abgeholt. Die unterschiedlichen Themen und das Ignorieren von Genregrenzen machen das Album spannend und durch die persönliche Note gehen viele Texte unter die Haut. Da auch im Studio auf höchstem Niveau gearbeitet wurde, hat das Album ordentlich Druck im Sound und schreit förmlich danach laut gehört zu werden. Engst zeigen nicht nur, dass sie längst zu den Großen der deutschen Musikszene gehören, sondern auch, dass sie noch lange nicht am Ende ihrer Geschichte angekommen sind.

Zum Album gibt es noch eine limitierte Fanbox, die für echte Fans schon einen Pflichtkauf darstellt. In der Fanbox, die optisch an einen alten Reisekoffer angelehnt ist, gibt es neben dem Album auf CD und in einer exklusiven Vinylvariante noch eine Fahne (Maße 150 cm x 100 cm, beidseitig bedruckt), ein bedrucktes Plektrum, ein dreiteiliges Stickerset, einen Patch, einen bedruckten USB-Stick mit einer Banddokumentation und eine handgeschriebene Nachricht auf der Autogrammkarte. Hier wurde wirklich für die Fans geplant, denn viele andere Bands wählen getrennte CD- und Vinylboxen, die dann im Einkauf teurer sind. Dadurch bleibt dann immer ein bitterer Beigeschmack, der zum bekannten Kommerz! Ausruf führt. Bleibt zu hoffen, dass die exklusiven Inhalte auch genau dies bleiben und nicht irgendwann ins Netz gestellt werden oder dann doch 1:1 verkauft werden, was den emotionalen Wert des Boxsets für viele Käufer stark mindern würde. Da es aber keine exklusiven Lieder gibt, können alle, die wirklich nur die Musik hören möchten, die Box auch in Unboxing Videos oder auf Fotos genießen.


[Bild: engstbox2023.jpg]


Mein Fazit: "Irgendwas ist immer" könnte man als Rezensent als Lebensmotto nehmen. Schließlich ist es unsere Aufgabe nicht nur zu loben, sondern auch zu nörgeln. Beim neuesten Werk von Engst fällt es aber sehr schwer, etwas Negatives zu entdecken. Das Album macht gute Laune, regt dazu immer wieder zum Nachdenken an und der Partyfaktor kommt dabei nicht zu kurz. Engst präsentieren sich in bester Spiellaune und das überträgt sich auch auf die Hörer:innen. Schlagzeug, Bass und Gitarre bilden ein musikalisches Brett, auf dem sich Sänger Matthias so richtig austoben kann. Jeden Song erkennt man sofort als Engst-Song, weil der Stil der Band einen extrem hohen Wiedererkennungswert hat, ohne sich selbst dabei immer wieder zu kopieren. Auf höchstem Niveau meckern könnte ich, wenn überhaupt, über die 45 Minuten Spielzeit. Diese gehen viel zu schnell vorbei, aber zum Glück gibt es die Repeat-Funktion und so kann man es immer wieder anhören. Aus meiner Sicht eine perfekte Punktlandung, die nicht nur Fans mitnimmt. Meine Anspieltipps sind "Geschichte schreiben", "Drei Uhr nachts", "Nachbar", "Umtausch ausgeschlossen" und "Kopf hoch". Für die fantastische Fanbox gibt es eigentlich sogar noch ein Sternchen hinter der 5, weil sie wirklich keine Fanwünsche unerfüllt lässt.


[Bild: bewertung5.png]
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