22.11.2024, 14:27
Release: 12. November 2024
Eigenvertrieb durch die teilnehmenden Musiker:innen
Tracklist:
01. Incendium Reali (Die Vertriebenen)
02. Braunen Schlangen (Epenklang)
03. Hexe (Verbal Fight)
04. Der letzte Drache (Meticus feat. Cesilia)
05. Ayla (Belinha Lutador)
06. Braunes Rauschen (Fiduz)
07. Der fahrende Händler (Tales of Tinnef)
08. Pestlied (Hinterhof)
09. Die schlesischen Weber (Tamias Striatus)
10. Changez (Psycomatic a.k.a. Rapkalibur feat. Memo Seyda)
11. Bürgerlied (Versifex und die Stadtwache)
12. Deichopfer II (Frisia non Cantat feat. Finn Faust)
13. Die Spielmannsträne (Papa Christian)
14. Das flammende Band (Gabria)
15. Die Gedanken (The Band with Folk in)
16. Hexe, Hexe (Ben aus Bielefeld)
17. Burning Leaves (Hauke Birkel)
18. Auf zum Rand der Welt (Ohrenpeyn)
19. Die Seuche 2.0 (Rabenzauber)
20. Hanging in the Old Barbed Wire (Curiositas & Friends)
Wir sind freie Spielleute! Unsere Instrumente kommen aus der ganzen Welt, genau wie unsere Melodien und Inspirationen. Wir singen Geschichten von Menschen für Menschen jeder Couleur. Unsere Quelle ist Vielfalt, Liebe und Frieden. Mit diesem Sampler stehen wir ein FÜR Demokratie, Vielfalt und Toleranz, GEGEN Faschismus, Antisemitismus und rechtes Gedankengut. Denn unsere Welt ist bunt - und so soll sie auch bleiben. (Quelle: Spielleute für Vielfalt und Toleranz)
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"Wo man singt, da lass dich ruhig nieder, böse Menschen haben keine Lieder." So heißt es in einem berühmten Zitat von Johann Gottfried Seume und passender könnte man den Sampler "Spielfalt" wohl kaum beschreiben. 20 Lieder gegen Rechts und gegen Intoleranz jedem Menschen gegenüber sprechen eine deutliche Sprache. Schon die Ursprünge der einzelnen Projekte / Musiker:innen zeigt, wie bunt die deutschen LARP-, Folk- und Mittelalterszenen sind. Wer ebenfalls ein Zeichen gegen Rechts setzen möchte, macht beim Kauf des Samplers einen ersten Schritt.
Den Anfang machen Die Vertriebenen mit ihrem Lied "Indencendium Reali", das aus dem zweiten Studioalbum "ExtraVagant" stammt. Mit ihrem mittelalterlichen Sound eröffnet die Band aus Schleswig-Holstein den Sampler mit ordentlich Druck im Schlagwerk und dem Klang von Dudelsäcken, Didgeridoo und Bouzouki. Epenklang haben mit "Braune Schlangen" ein neues Lied für "Spielfalt" veröffentlicht, in dem sie Warnungen gegen den rechten Abschaum aussprechen und zu Toleranz und Offenheit ermutigen. Die markante Stimme von Daniel Eisensaite unterstreicht diese Botschaft wunderbar und wird von einem Brett aus Dudelsack, E-Gitarre und Drums getragen. Mit Verbal Fight kommt harter Sound ins Spiel. "Hexe" handelt von der typischen historischen Hexenjagd, Verurteilung und Ermordung einer Frau. Ein Thema, das auch heute noch aktuell ist. Vielleicht geht es dabei nicht wirklich um Hexerei, aber Hetzjagden mit tödlichem Ausgang gibt es leider immer noch und viel zu oft. "Hexe" stammt aus dem Album "Raus aus dem Keller", auf dem es zwölf Lieder mit einem Mix aus Rock, Metal, Punk und Mittelalter zu hören gibt. "Der letzte Drache" wird von Meticus feat. Cesilia besungen. Cesilias Gesang bringt sehr viel Gefühl in die Ballade ein und wird dabei von Flöten und Synthesizerklängen begleitet. Wer mehr von Meticus hören mag, sollte seinen Youtube Channel besuchen. Orientalische Klänge gibt es in "Ayla" von Belinha Lutador auf die Ohren. "Ayla" handelt von einer Frau, die sich durch alle Wirrungen und Probleme ihrer Zeit kämpfen muss und behandelt so ebenfalls ein immer noch aktuelles Thema.
Caspar Bierschmeichler singt mit Fiduz zusammen ein Lied über ein "Braunes Rauschen", das überall zu hören ist. Mit Seitenhieben gegen Braun und Blau und auch gegen die Vergangenheit unseres Landes, singen Fiduz gleichgesinnten Menschen Mut zu, die eigene Stimme zu nutzen, um das braune Rauschen zu übertönen und ihm die Macht zu nehmen. Fiduz' Stimme hat etwas fesselndes, wodurch das Lied noch mehr Bedeutung bekommt. Mit Drums, Geige und E-Gitarre wechseln sich sanfte Töne mit härteren Klängen ab. Tales of Tinnef warnen in "Der fahrende Händler" vor Scharlatanen und falschen Propheten, die mit ihren Worten Lügen und Hass verbreiten möchten. Die bunten Flaggen der Gaukler als Zeichen der Vielfalt und Toleranz stehen dabei gegen die Flagge der Scharlatane, die trotz ihrer Aufmachung irgendwann Brauntöne offenbaren. Tales of Tinnef beweisen mit "Der fahrende Händler", dass sie in der Lage sind, auch ernste Themen anzusprechen, auch wenn man die Band eher mit fröhlichen Trink- und Gute Laune Liedern kennt, wie sie auch auf dem aktuellen Album "Unter uns'rer Flagge" zu hören sind, aus dem auch "Der fahrende Händler" stammt. Das "Pestlied" von Hinterhof ist bereits 2013 auf dem Album "Hagge, Schnigge" erschienen. Da wir alle durch die braune Pest bedroht werden, kann man den Text auch dafür nutzen, um laut gegen diese anzusingen. Vom Sound her merkt man dem "Pestlied" sein Alter nicht an, denn das Album wurde damals sehr hochwertig produziert. Dass "Die schlesischen Weber" von der Produktionsseite her noch ausgearbeitet werden kann, sollte man der jungen Band Tamias Striatus nicht zum Vorwurf machen. Mit ihrem Beitrag zeigen Richard, Jonathan, Leni und Adrian, dass auch Kinder und Jugendliche die Gefahr von Rechts ernst nehmen. Normalerweise spielen sie mittelalterliche Marktmusik, doch auch die Umsetzung des Gedichts von Heinrich Heine zeigt, dass die Band Potential hat und man auf zukünftige Veröffentlichungen hoffen darf. Psychomatic a.k.a Rapkalibur besticht einmal mehr durch seine Rhymes und der verbundenen Liebe von Mittelalter und Hip Hop. Durch seine eigenen Alben und der beliebten "Verbündet" Sampler Reihe steht allein sein Name schon für Vielfalt und Toleranz und so wundert es mich nicht, dass er mit "Changez" seinen Teil zum Sampler beigetragen hat.
Versifex und die Stadtwache stimmen als nächstes zum "Bürgerlied" an. Das Lied von Adalbert Harnisch aus dem Jahr 1845 könnte auch eine aktuelle Komposition sein, denn die Welt soll weiter bunt bleiben und nicht braun werden. Versifex war bis 2005 Frontmann von Moskote und ist somit auch kein Unbekannter in der Mittelalterszene. Mit "Deichopfer II" von Frisia non Cantat feat. Finn Faust wird es wieder härter, denn Dudelsack und E-Gitarre beherrschen den Sound. Die Band aus Nordfriesland besingt das Schicksal einer Hexe, die geopfert wird, um einen drohenden Deichbruch zu verhindern. Aberglaube und Schuldzuweisungen sind auch bei Leugnern des Klimawandels stark vertreten. Das Lied wird leider nichts daran ändern, aber es übertönt wunderbar die heruntergerasselten Fakenews zu diesem Thema. Papa Christian ist nicht nur mit "Spielmannsträne" zu hören, sondern war auch für das Mastering des Samplers verantwortlich. Papa Christian ist ein sehr vielfältiger Musiker, der Punk, Metal und Mittelalter liebt und diese Liebe in den Liedern auch miteinander verbindet. Bei Spotify findet man seine Werke unter PapaChristian. Gabria ist wohl eine der meist beschäftigten Personen, die ich kenne. Egal ob mit PurPur oder als Solokünstlerin, ihre Stimme bezaubert jedes Mal auf's Neue. "Das flammende Band" ist nicht nur auf "Spielfalt" zu hören, sondern ist auch auf der "Lux Unita Lieder" EP vorhanden. Die Geschichte eines Barden, der sich in den General der gegnerischen Armee verliebt, ist eine wunderschöne queere Ballade. Da auch die Vielfalt der LGBTQ+ Community durch Rechts bedroht wird, ist es sehr schön und wichtig, auch dieses Thema auf "Spielfalt" anzusprechen beziehungsweise zu besingen. The Band with Folk in, die Urbesetzung von Heiter bis Folkig, haben mit "Die Gedanken" einen wahren Klassiker auf ihre eigene Art neu umgesetzt. Mit Gitarre und Mundharmonika laden The Band with Folk in zum Mitsingen ein, was bei der bekannten Melodie fast von alleine geschieht.
Ben aus Bielefeld ist ein Singer-Songwriter, der seine Lieder selbst schreibt und produziert. Auch hier wird die Schuld für eigene Fehler wieder einmal bei einer Hexe gesucht. "Hexe, Hexe" ist ein frecher Ohrwurm, der sich gerne mal länger im Gedächtnis der Hörer:innen hält. Instrumental geht es mit Hauke Birkel und "Burning Leaves" weiter. Bei der flotten Melodie können sich die Stimmbänder einmal ausruhen und dafür die Beine in die Hand genommen werden. Einziger Wermutstropfen an dem Lied ist die kurze Spieldauer von etwas über 2 Minuten, die gerade einmal zum Aufwärmen ausreicht. Mit Ohrenpeyn ist wieder eine sehr bekannte Band am Start, die mit "Auf zum Rand der Welt" einen scheinbar gefährlichen Kurs setzt, wenn man denn an eine Flache Erde glaubt. Ansonsten wird man zwar durchaus Abenteuer erleben, aber am Erdrand versinken wird man nicht. Nichtsdestotrotz macht das Lied gute Laune und Lust auf Meer und mehr von Ohrenpeyn. Das Lied stammt vom gleichnamigen Album, das 2016 erschienen ist. Mittelalterlich melden sich nun Rabenzauber zu Wort, die mit "Die Seuche 2.0" auf die braune Seuche aufmerksam machen wollen, die uns alle bedroht. Ursprünglich ist "Die Seuche" auf dem Album "Und es geht weiter" zu finden und ist ein Lied über die Coronapandemie und deren Auswirkungen, doch auch der neue Text passt wie die Faust auf's (braune) Auge. Last but not least geben sich Curiositas & Friends die Ehre und beenden den Sampler mit "Hanging on the Old Barbed Wire". Hier wird auf sarkastische Art auf verschiedene Militärränge hingewiesen, die sich lieber um sich selbst kümmern, als um die Sorgen und Nöte ihrer Untergebenen. Der besungene Stacheldraht wurde im ersten Weltkrieg dazu genutzt, umkämpfte Gebiete von den eigenen Stellungen abzugrenzen, die damals in Form von Gräben üblich waren. Wer mutig genug war über diesen zu steigen, hat diesen Versuch meistens nicht überlebt und hing in diesem fest.
"Spielfalt" endet zwar mit einem unschönen und leider realen Bild der Vergangenheit, macht aber Mut dafür einzustehen, dass solche Dinge hier nicht mehr passieren. Die Spielleute für Vielfalt und Toleranz gehen mit gutem und lauten Beispiel voran. Das Cover wurde von Miri & Bruni gestaltet und würde sich auch hervorragend für Aufkleber anbieten, denn nicht nur Spielleute sind gegen Rechts, sondern auch ihre Hörer:innen. Das Mastering von Papa Christian möchte ich auch noch einmal lobend erwähnen, denn er hat aus vielen einzelnen Beiträgen ein große Ganzes gemacht, das sich wirklich hören lassen kann. Die Verantwortung der einzelnen Lieder liegt aber bei den jeweiligen Interpreten.
Mein Fazit: Aus dem Gedanken heraus, ein gemeinsames Zeichen gegen Rechts zu setzten, ist der Sampler "Spielfalt" entstanden. Die Vielfalt der Teilnehmer:innen und die unterschiedlichen Themen sind ein perfektes Symbolbild für den Wunsch, Vielfalt und Toleranz zu erhalten. Da jedes Lied einen eigenen Beitrag darstellt, dessen Produktion in der jeweiligen Verantwortung der Teilnehmer:innen liegt, ist die Tonqualität sehr unterschiedlich. Während die meisten Lieder professionelle Aufnahmen sind, haben andere eher den Charakter einer Demo-Aufnahme, die man nicht unbedingt bei jedem Durchlauf hören wird. Die ist auch der einzige Kritikpunkt, der jedoch aufgrund der Thematik nicht wirklich ins Gewicht fällt. Man kann dem Mut und das Herz, sich so offen gegen Rechts auszusprechen, nur mit Respekt begegnen. Da der Überschuss der Einnahmen auch noch für Spenden genutzt wird, ist jede Unterstützung sehr wünschenswert. Einen Anspieltipp gebe ich dieses Mal nicht, denn beim Preis von 5€ gibt es keinen Grund, diesen Sampler nicht zu kaufen. Ich drücke die Daumen, dass der Sampler viele Abnehmer findet und sollte "Spielfalt" zu einer Samplerreihe werden, wäre ich sehr gespannt, welche Namen man zukünftig noch lesen könnte. Zum Schluss noch ein Danke für diesen Sampler und an jede einzelne Person, die hinter diesem Projekt steht. Falls ihr den Sampler irgendwo entdeckt oder Teilnehmer:innen kennt, bei denen er erhältlich ist, dann nehmt ihn bedenkenlos mit und dreht die Lieder laut auf.